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Rede der Deutschen Botschafterin zum Tag der Deutschen Einheit 2025

Artikel

Rede der Deutschen Botschafterin

Sehr geehrte Staatspräsidentin,

Sehr geehrter Parlamentspräsident,

sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

sehr geehrte Abgeordnete des Sobranie,

sehr geehrte Ministerinnen und Minister,

sehr geehrte Oberhäupter der Religionsgemeinschaften,

liebe Partnerinnen und Partner Deutschlands,

liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

verehrte Gäste,

herzlich willkommen zum Tag der Deutschen Einheit! Und ein herzliches Dankeschön dem wunderbaren Amateur-Frauenchor „Frida“ für diesen kraftvollen Auftakt.

Wir hatten uns besseres Wetter gewünscht, um diesen besonderen Tag mit Ihnen gemeinsam zu feiern. Ein Gartenempfang hätte es werden sollen. Als die Wetterstationen dann vor einigen Tagen einen Kälteeinbruch und Regenfluten voraussagten, da fielen mir natürlich all die klugen Redensarten ein: Wahre Freundschaft zeigt sich erst, wenn man Sturm und Regen gemeinsam trotzt.

Freundschaft und Zusammenhalt, sowohl zwischen Gesellschaften wie auch nach innen, sind in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Wir erleben eine Zeit beispielloser Instabilität und Umbrüche. Wir erleben, wie humanitäre Katastrophen, wie Kriege und Konflikte ein Leben in Würde für viele Menschen in weite Ferne rücken. Auch in Europa bestimmt wieder Krieg unser politisches Handeln - über Jahrzehnte hinweg für die meisten Menschen undenkbar. Russlands Angriff auf die Ukraine erschüttert die europäische Friedensordnung in ihren Grundfesten. Die regelbasierte internationale Ordnung weist Risse auf, die selbst an den Fundamenten traditionsreicher Demokratien nicht mehr Halt machen.

Uns Deutschen dringt die Erschütterung der globalen Ordnung tief ins Bewusstsein. Denn 80 Jahre nach dem Ende der Schrecken des Zweiten Weltkriegs ist uns das Wunder neu entstehenden Vertrauens noch gut in Erinnerung. Es gründete auf dem festen Glauben, dass wir durch die gemeinsame Verteidigung der Freiheit eine Ordnung schaffen können, die Menschlichkeit gewährleistet. Es war genau dieses Vertrauen, das meinem Land den Weg zurück in die Gemeinschaft der Völker geebnet hat. Und es war das Vertrauen in diese regelbasierte internationale Ordnung, das mit dem 2+4-Vertrag letztlich auch den Weg für die Wiedervereinigung Deutschlands geebnet hat.

Für Deutschland erwächst daraus in besonderer Weise die Verantwortung, für Gerechtigkeit, Frieden und Respekt einzutreten. Es tut gut, Nordmazedonien dabei als verlässlichen Partner an unserer Seite zu wissen. Gemeinsam übernehmen wir Verantwortung im Rahmen der Vereinten Nationen, wo Deutschland erneut einen Sitz als nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat anstrebt. Gemeinsam stehen wir eng zusammen im Rahmen der NATO.

Deutschland und Nordmazedonien, Seite an Seite.

Als Deutsche sehen wir uns auch in der Verantwortung, für ein starkes Europa einzutreten, gerade jetzt, in Zeiten der Erschütterung. Und auch das wollen wir Seite an Seite mit unserem Partner Nordmazedonien tun.

Wenn die regelbasierte internationale Ordnung Brüche aufweist, wenn Machtpolitik an die Stelle des Rechts tritt und wenn wirtschaftliche Abhängigkeiten als Waffe eingesetzt werden, dann droht auch das europäische Versprechen von Sicherheit, Stabilität und Wohlstand brüchig zu werden.

Meine Damen und Herren,

manche von Ihnen mögen nun denken: Das betrifft uns doch nicht, wir sind kein Mitglied der EU, sondern „nur“ auf dem Weg dorthin.

Doch dieser Gedanke greift zu kurz. Denn Europa endet nicht an den heutigen Grenzen der EU. Wirtschaftliche Turbulenzen, geopolitische Spannungen, sicherheitspolitische Herausforderungen – sie alle machen keinen Halt an Zollstationen oder Grenzpfosten. Ob Mitgliedsstaat oder auf dem Weg dorthin: Wir alle sind Teil eines gemeinsamen europäischen Raumes, der von denselben Kräften erschüttert wird.

Europa ist ein Raum der Verflechtung, der sich nicht von einem einzigen Zentrum aus denken lässt. Unser gemeinsamer europäischer Raum lebt von den vielen Knotenpunkten, die wie Sterne zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Bereichen ihre Strahlkraft entwickeln.

Diese Verflechtung Europas ist nicht erst in der Gegenwart entstanden. Schon in der Antike existierten solche Knotenpunkte, die weite geografische Räume miteinander vernetzten, über Straßen, Verwaltung und Handel. Denken Sie nur an die großen archäologischen Stätten hierzulande, denken Sie an Scupi oder Herakleia. Es sind Orte, die auch für eine geteilte europäische Vergangenheit stehen. Deutsche und mazedonische Archäologen haben sich vorgenommen, diese gemeinsame Vergangenheit gemeinsam zu erforschen. Sie bereichern unsere deutsch-mazedonische, unsere europäische Zusammenarbeit damit um eine weitere Facette.

Mit dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) und dem Leibniz-Zentrum für Archäologie betreten exzellente Forschungseinrichtungen die Bühne der deutsch-mazedonischen Beziehungen!

Lassen Sie uns von der Antike zurück in die Gegenwart springen. Auch im heutigen Europa finden antike Knotenpunkte ihre Entsprechung: Denken Sie an unsere digitale Vernetzung. Der „Western Balkans Digital Summit“, der in den vergangenen beiden Tagen im Rahmen des Berlin Prozesses hier in Skopje stattgefunden hat, hat den richtigen Ton gesetzt: Wir arbeiten an einer gemeinsamen digitalen Zukunft, die gleichen Zugang und maximalen Nutzen für alle gewährleistet.

Für die digitale Vernetzung von Finanzströmen heißt die konkrete Infrastruktur SEPA: das einheitliche europäische Zahlungsverkehrssystem. Es verbindet die Knotenpunkte innerhalb des europäischen Raumes zu einem größeren Ganzen, so dass ein moderner Raum der Durchlässigkeit entsteht. In wenigen Tagen wird SEPA in Nordmazedonien betriebsbereit sein. Ein neuer Knotenpunkt, ein neuer Stern unter dem SEPA-Himmel!

Meine Damen und Herren,

In Deutschland gehört es zum guten Ton, von Ökonomen ausrechnen zu lassen, was ein solcher Schritt für die Wirtschaft in konkreten Zahlen bedeutet. Das haben wir getan und deutsche Wirtschaftsexperten befragt. Ihre Antwort: Schon der unmittelbare wirtschaftliche Nutzen, der mit dem SEPA-Beitritt aus der Senkung der Gebühren für grenzüberschreitende Zahlungen entsteht, ist enorm. Unternehmen und Privatpersonen, die Gelder zwischen Nordmazedonien und anderen Ländern im SEPA-Raum transferieren, werden jedes Jahr rund 62 Mio. EUR einsparen.

Es geht aber natürlich nicht allein um Zahlen. Wir erweitern unseren gemeinsamen europäischen Raum von Vertrauen, Sicherheit und dem Gefühl, Teil eines größeren Ganzen zu sein. Ein großer Schritt auf dem Weg der europäischen Integration, der Deutschland und Nordmazedonien noch enger zusammenführt.

Europa lebt Integration durch Infrastruktur. Was im Altertum durch Wege, Märkte und Städte an Verflechtung erreicht wurde, gelingt heute durch digitale Netze und Finanzsysteme. Europäische Integration entsteht nicht allein von Brüssel oder von Straßburg aus, sondern aus der Verdichtung von Beziehungen „vor Ort“. Das macht Europa so widerstandsfähig. SEPA im Zahlungsverkehr, europäische Glasfasernetzwerke, digitale Bildungsräume – sie alle sind moderne Entsprechungen einer antiken Magistrale. Und so, wie Scupi und Herakleia einst an einer solchen Magistrale lagen, so legt auch unsere digitale Gegenwart Zeugnis davon ab, dass Nordmazedonien Teil unseres gemeinsamen europäischen Raumes ist.

Die Grundlagen für ein starkes Europa, das Nordmazedonien umschließt, sind unverkennbar. Es liegt an uns allen, dieses starke, verbundene Europa gemeinsam zu wollen. An jenen, die heute schon Mitglieder der Europäischen Union sind, wie auch an jenen, die sich auf den Weg dorthin gemacht haben.

Das europäische Versprechen von Sicherheit, Stabilität und Wohlstand für uns alle kann nur dann Bestand haben, wenn wir weiter in die Solidarität und in den Zusammenhalt Europas investieren. Denn Europa ist mehr als eine Union. Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft, die wir gemeinsam gestalten und verteidigen müssen.

Übernehmen wir gemeinsam Verantwortung für unser Europa. Nordmazedonien und Deutschland, als Europäer, Seite an Seite.

Vielen Dank.

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